001 - Haus am Fichtenweg

001 - Haus am Fichtenweg

Projektname: 001 - Haus am Fichtenweg
Ort: Rothrist
Baujahr: 2015
Bauherr: Privat
Referenzblatt(PDF)

Abstract
Das Haus am Fichtenweg gehört in die Werkliste des Schweizer Malers, Grafikers und Architekten Willi Fust (1926-2003).
54 Jahre nach der Erbauung im Jahr 1961 und nach einem Umbau in den 80er Jahren, benötigte die Liegenschaft eine umfassendere Sanierung.
Der Fokus wurde bei dieser Intervention auf die Fassadenneugestaltung, die Ausdämmung der Aussenwände, den Fensterersatz sowie auf eine Neukonzeption der Terrassenkonstruktion gelegt.
Bei der Erarbeitung des Sanierungs- und Erweiterungs-Konzepts bestand das primäre Ziel darin, den ursprünglichen gestalterischen Gedanken aufzunehmen und in einer dezenten Art und Weise neu zu interpretieren.
 



Architektur
Nur durch grazile Stahlstützen wird der liegende Rechtkant getragen. Von Südwesten herkommend (Bild 01), scheint der Baukörper beinahe zu schweben. Neben dieser vermeintlichen Leichtigkeit hat das Objekt auch eine gewisse Schwere an sich: der Bau wirkt durch die lineare und klar umrissene Ausgestaltung der Volumen sehr durchdacht und beherrscht. Mit unmissverständlicher Manier hebt er sich damit ab von seinem wilden Nachbarn dem Wald. Ein Aufruf gegen die Unberechenbarkeit, eine Antithese zur organischen Formengebung der Natur?

Die Ausbildung des Erdgeschosses an der Nord- und Ostseite (Bild 03) erfolgte in einer radikal divergenten Art und Weise. Hier wird das Volumen des Obergeschosses nicht von einem feingliedrigen Stützensystem getragen, sondern von einer L-förmigen Betonscheibe. Die Schalungsbretter auf der Sichtbetonoberfläche verlaufen in horizontaler Richtung - wie ein Abbild einer Erdmassenschichtung, ein Bildnis eines Sedimentgesteins. Die Massivität des Sockels wird damit noch verstärkt.

Die gesamtheitliche Betrachtung des Baus lässt uns gedanklich in die Zeit der klassischen Moderne reisen; das Stützen-Konzept, der nach Süden und Westen hin transparente Körper des Erdgeschosses, die von aussen sichtbare - wenn nicht gar inszenierte Treppe ins Obergeschoss, das Langfenster an der Südfassade: diese Elemente erinnern uns an die Villa Savoye oder das Doppelhaus in der Weissenhofsiedlung. Keinesfalls handelt es sich hier jedoch weder um eine Kopie derselben noch um eine konsequente Umsetzung der "5 points de l'architecture moderne" von LeCorbusier aus dem Jahre 1927 - obgleich einige Elemente davon ansatzweise auszumachen sind. Vielmehr ist es ein Versuch die architektonischen und technischen Errungenschaften dieser bewegten Epoche in einer individuellen und dennoch reflektierten Herangehensweise umzusetzen.

Bei der Analyse des Grundrisses wird dies noch deutlicher. Das Verhältnis von Längs- zu Querseite des Obergeschossgrundrisses beträgt rund 1 : 1,62 und entspricht damit dem "Goldenen Schnitt". Des weiteren ist in der Raumaufteilung die rekurse Übertragung des Breiten- auf das Längenmass und die daraus resultierenden Quadrate ablesbar. Aus dieser geometrischen Konstruktion ist die Einteilung für das Wohnzimmer und die Küchennische mit Vorraum abgeleitet. Bei genauerem Studium der Grundrisseinteilung wird offenkundig, dass auch in den anderen Bereichen des Obergeschossgrundrisses der Goldene Schnitt als Grundlage diente. Aus weiteren unabhängigen Goldenen Schnitten heraus sind die Flächen der hinteren Zimmer sowie der Terrasse abgeleitet (Bild 06). Die effektiven Raumeinteilungen erfolgten indessen nicht immer zentimetergenau - teilweise weicht der Grundriss zugunsten der Funktionalität deutlich vom angestrebten Raster ab.

Intervention
Die Erarbeitung des Fassadenkonzepts erfolgte in mehreren Abschnitten in enger Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft.
In einem ersten Entwurfsprozess wurde die architektonische Funktion der Fassade in Bezug auf die volumetrische Gesamtwirkung des Baus hinterfragt. Daraus ging der Entschluss hervor, die Wirkung des oben bereits umschriebenen "schwebenden Rechtkants" sowie die Gegensätzlichkeiten zwischen äusserlicher Leichtigkeit und inhaltlicher Schwere zu erhalten und wenn möglich herauszuheben.

Damit das Volumen des Rechtkants als solches wahrgenommen wird, muss die Fassadenoberfläche Homogenität und eine gewisse Flächigkeit aufweisen.
Dem Wesen der Flächigkeit in gewissem Sinne entgegengesetzt, versuchten wir der Fassade gleichzeitig eine gewisse Tiefenwirkung zu verleihen.
Aus diesen per se widersprüchlichen Grundanforderungen musste also eine Fassadenschalung entwickelt werden die sowohl den ästethisch konzeptuellen, als auch den technisch konstruktiven Anforderungen genügen kann.
Die Lösung wurde in einer vertikalen Stabschalung gefunden. Die Stabschalung unterscheidet sich zur gängigen Bretterschalung darin, dass die Lücken zwischen den Stäben markant grösser sind und damit einen erheblichen Einfluss auf die visuelle Wirkung haben. Durch diese Lücken entsteht auch die gesuchte Tiefenwirkung. Der Nachteil der einfachen Stabschalung (Bild 07, oben) besteht darin, dass der Schutz vor Witterung, Insekten und Vögel nur bedingt gewährleistet ist. Die Weiterentwicklung zur doppelten Stabschalung vereint ästethischen Wunsch und Schutzbedürfnis - sie besteht abwechselnd aus einem flachen und einem tiefen Stab, welche die Fassadenoberfläche trotzdem vor und zurück springen lässt und gleichzeitig genügend Schutz bietet. Da die Stabschalung durch ihr markantes Erscheinungsbild per se eine gewisse Strenge in sich hat, wurde der rechtwinklige Querschnitt der Stäbe zu einem Rhomboid abgeändert. (Bild 07, unten) Die abgeschrägte Fläche mildert den sonst starken Kontrast zwischen Staboberfläche und schattiger Lücke ab und lässt die Fassade aus direkter Nähe betrachtet verspielt wirken.

Die Teilüberdeckung der Terrasse sowie der seitliche Witterungsschutz wurde in Bezug auf die Abmessungen vom ursprünglichen Entwurf direkt übernommen. Die Stahlkonstruktion auf der Terrasse haben wir bis zum vorderen Terrassenende weiterentwickelt (Bild 01). Dadurch werden Aussenkanten eines neuen Volumens erkennbar und die gesamte Terrassenkonstruktion kann als Einheit wahrgenommen werden. Dank Transparenz und Leichtigkeit der Stahlkonstruktion bleibt das Gleichgewicht zwischen Hauptbau und Terrassenanbau bestehen.

001 - Haus am Fichtenweg

Projektname: 001 - Haus am Fichtenweg
Ort: Rothrist
Baujahr: 2015
Bauherr: Privat
Referenzblatt(PDF)

Abstract
Das Haus am Fichtenweg gehört in die Werkliste des Schweizer Malers, Grafikers und Architekten Willi Fust (1926-2003).
54 Jahre nach der Erbauung im Jahr 1961 und nach einem Umbau in den 80er Jahren, benötigte die Liegenschaft eine umfassendere Sanierung.
Der Fokus wurde bei dieser Intervention auf die Fassadenneugestaltung, die Ausdämmung der Aussenwände, den Fensterersatz sowie auf eine Neukonzeption der Terrassenkonstruktion gelegt.
Bei der Erarbeitung des Sanierungs- und Erweiterungs-Konzepts bestand das primäre Ziel darin, den ursprünglichen gestalterischen Gedanken aufzunehmen und in einer dezenten Art und Weise neu zu interpretieren.
 



Architektur
Nur durch grazile Stahlstützen wird der liegende Rechtkant getragen. Von Südwesten herkommend (Bild 01), scheint der Baukörper beinahe zu schweben. Neben dieser vermeintlichen Leichtigkeit hat das Objekt auch eine gewisse Schwere an sich: der Bau wirkt durch die lineare und klar umrissene Ausgestaltung der Volumen sehr durchdacht und beherrscht. Mit unmissverständlicher Manier hebt er sich damit ab von seinem wilden Nachbarn dem Wald. Ein Aufruf gegen die Unberechenbarkeit, eine Antithese zur organischen Formengebung der Natur?

Die Ausbildung des Erdgeschosses an der Nord- und Ostseite (Bild 03) erfolgte in einer radikal divergenten Art und Weise. Hier wird das Volumen des Obergeschosses nicht von einem feingliedrigen Stützensystem getragen, sondern von einer L-förmigen Betonscheibe. Die Schalungsbretter auf der Sichtbetonoberfläche verlaufen in horizontaler Richtung - wie ein Abbild einer Erdmassenschichtung, ein Bildnis eines Sedimentgesteins. Die Massivität des Sockels wird damit noch verstärkt.

Die gesamtheitliche Betrachtung des Baus lässt uns gedanklich in die Zeit der klassischen Moderne reisen; das Stützen-Konzept, der nach Süden und Westen hin transparente Körper des Erdgeschosses, die von aussen sichtbare - wenn nicht gar inszenierte Treppe ins Obergeschoss, das Langfenster an der Südfassade: diese Elemente erinnern uns an die Villa Savoye oder das Doppelhaus in der Weissenhofsiedlung. Keinesfalls handelt es sich hier jedoch weder um eine Kopie derselben noch um eine konsequente Umsetzung der "5 points de l'architecture moderne" von LeCorbusier aus dem Jahre 1927 - obgleich einige Elemente davon ansatzweise auszumachen sind. Vielmehr ist es ein Versuch die architektonischen und technischen Errungenschaften dieser bewegten Epoche in einer individuellen und dennoch reflektierten Herangehensweise umzusetzen.

Bei der Analyse des Grundrisses wird dies noch deutlicher. Das Verhältnis von Längs- zu Querseite des Obergeschossgrundrisses beträgt rund 1 : 1,62 und entspricht damit dem "Goldenen Schnitt". Des weiteren ist in der Raumaufteilung die rekurse Übertragung des Breiten- auf das Längenmass und die daraus resultierenden Quadrate ablesbar. Aus dieser geometrischen Konstruktion ist die Einteilung für das Wohnzimmer und die Küchennische mit Vorraum abgeleitet. Bei genauerem Studium der Grundrisseinteilung wird offenkundig, dass auch in den anderen Bereichen des Obergeschossgrundrisses der Goldene Schnitt als Grundlage diente. Aus weiteren unabhängigen Goldenen Schnitten heraus sind die Flächen der hinteren Zimmer sowie der Terrasse abgeleitet (Bild 06). Die effektiven Raumeinteilungen erfolgten indessen nicht immer zentimetergenau - teilweise weicht der Grundriss zugunsten der Funktionalität deutlich vom angestrebten Raster ab.

Intervention
Die Erarbeitung des Fassadenkonzepts erfolgte in mehreren Abschnitten in enger Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft.
In einem ersten Entwurfsprozess wurde die architektonische Funktion der Fassade in Bezug auf die volumetrische Gesamtwirkung des Baus hinterfragt. Daraus ging der Entschluss hervor, die Wirkung des oben bereits umschriebenen "schwebenden Rechtkants" sowie die Gegensätzlichkeiten zwischen äusserlicher Leichtigkeit und inhaltlicher Schwere zu erhalten und wenn möglich herauszuheben.

Damit das Volumen des Rechtkants als solches wahrgenommen wird, muss die Fassadenoberfläche Homogenität und eine gewisse Flächigkeit aufweisen.
Dem Wesen der Flächigkeit in gewissem Sinne entgegengesetzt, versuchten wir der Fassade gleichzeitig eine gewisse Tiefenwirkung zu verleihen.
Aus diesen per se widersprüchlichen Grundanforderungen musste also eine Fassadenschalung entwickelt werden die sowohl den ästethisch konzeptuellen, als auch den technisch konstruktiven Anforderungen genügen kann.
Die Lösung wurde in einer vertikalen Stabschalung gefunden. Die Stabschalung unterscheidet sich zur gängigen Bretterschalung darin, dass die Lücken zwischen den Stäben markant grösser sind und damit einen erheblichen Einfluss auf die visuelle Wirkung haben. Durch diese Lücken entsteht auch die gesuchte Tiefenwirkung. Der Nachteil der einfachen Stabschalung (Bild 07, oben) besteht darin, dass der Schutz vor Witterung, Insekten und Vögel nur bedingt gewährleistet ist. Die Weiterentwicklung zur doppelten Stabschalung vereint ästethischen Wunsch und Schutzbedürfnis - sie besteht abwechselnd aus einem flachen und einem tiefen Stab, welche die Fassadenoberfläche trotzdem vor und zurück springen lässt und gleichzeitig genügend Schutz bietet. Da die Stabschalung durch ihr markantes Erscheinungsbild per se eine gewisse Strenge in sich hat, wurde der rechtwinklige Querschnitt der Stäbe zu einem Rhomboid abgeändert. (Bild 07, unten) Die abgeschrägte Fläche mildert den sonst starken Kontrast zwischen Staboberfläche und schattiger Lücke ab und lässt die Fassade aus direkter Nähe betrachtet verspielt wirken.

Die Teilüberdeckung der Terrasse sowie der seitliche Witterungsschutz wurde in Bezug auf die Abmessungen vom ursprünglichen Entwurf direkt übernommen. Die Stahlkonstruktion auf der Terrasse haben wir bis zum vorderen Terrassenende weiterentwickelt (Bild 01). Dadurch werden Aussenkanten eines neuen Volumens erkennbar und die gesamte Terrassenkonstruktion kann als Einheit wahrgenommen werden. Dank Transparenz und Leichtigkeit der Stahlkonstruktion bleibt das Gleichgewicht zwischen Hauptbau und Terrassenanbau bestehen.